Jablanica – Planinarski Dom Vilinac / Tagesmotto: Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende Beides verlieren. (Benjamin Franklin)
6 1/2 h / 1950 M aufwärts / 260 M abwärts / 20.1 km
Fast etwas ungewohnt, wieder nur zu zweit aufzubrechen. Nach den faulen Tagen in Mostar sind wir wieder reif für Bewegung und auch unsere Kleidung füllen wir deutlich besser aus.
Jablanica ist so etwas wie der Tiefpunkt, nicht stimmungsmässig sondern in Bezug auf die Meereshöhe, denn wir befinden uns nur gerade auf 200 MüM. Viele Höhenmeter liegen vor uns und nicht nur schöne. Zuerst gehts der Strasse entlang und dann weiter den Wald hoch auf einer Kiesstrasse. Die riesige Mülldeponie lassen wir gemeinsam mit unseren Zivilisationsbedürfnissen rechts liegen.
Nach zwei Stunden sind wir dann endlich auf Wanderwegen unterwegs und mit jedem Schritt atmen wir wieder den Duft der Freiheit in der Natur ein.
Beim Dom Plasa haben wir schon einen grossen Teil des Aufstieges geschafft und gönnen uns süsse Snacks. Gerade als wir aufbrechen wollen, steigen drei Jungs zur Hütte ab. Sie sind Mitglieder des Bergclubs und haben somit den Schlüssel zur Hütte. Es dauert nicht lange, da steht ein Rakija vor uns.
Die restlichen Höhenmeter schaffen wir recht beflügelt und bald schon stehen wir auf dem Trinača. Auch die beiden markanten Prenj-Gipfel kommen weit hinten wieder zum Vorschein.
Der spektakuläre Steinbogen Hajdučka Vrata hält immer noch. Die Sonne ist zwar bereits hinter den Felsen versteckt aber eine kleine Fotosession legen wir dennoch ein.
Es fehlt nicht mehr viel bis zur Berghütte Planinarski Dom Vilinac, beim Abzweiger liegt das Schild ‚geöffnet‘ am Wegrand und in uns erwacht Vorfreude auf ein kühles Bier. Erreichen wir die Hütte noch bevor der Hüttenwart seinen Wochenenddienst beendet? In Bosnien sind die Berghütten mehrheitlich geschlossen, die Vilinac ist jedoch von Freitag bis Sonntag bewartet.
Wie abgemessen treffen wir in dem Moment ein, als der Hüttenwart in die Bergschuhe steigen möchte. Aber ein Bier können wir ihm noch abkaufen und auch die feudale Infrastruktur um die Hütte herum benutzen.
Ein toller Platz mit langer Abendsonne. Je älter das Jahr umso mehr schätzen wir jede zusätzliche Minute Tageslicht und Sonnenwärme.
Der Abschnitt in Bosnien neigt sich auch schon bald dem Ende zu. Langsam aber sicher beschäftigen uns Gedanken, wie wir unsere weitere Zukunft gestalten sollen. Wie viel bedeutet uns die Freiheit? Wie viel Sicherheit ist uns wichtig? Wie können wir diese beiden Grundbedürfnisse kombinieren, so dass keines zu kurz kommt? Wir sind selber gespannt, welche Lebensform für uns die passende sein wird! Bestimmt geht plötzlich irgendwo ein Türchen auf.
Planinarski Dom Vilinac – Hajdučke Vrleti Motel / Tagesmotto: Ich spüre das Tier in mir, es ist ein Faultier!
4 1/2 h / 340 M aufwärts / 1000 M abwärts / 13.9 km
Sobald die Sonne hinter den Bergspitzen hervorschaut, steigen die Temperaturen rasch an, obwohl wir uns auf 1900 MüM befinden.
Keine Stunde nach unserem Zusammenpacken stehen wir bereits auf dem Vilinac, unserem Tageshöchstpunkt. Nicht stimmungsmässig, sondern nur höhentechnisch, denn Sonja findet heute den Rank nicht so recht und die Beine fühlen sich an wie zwei schwere Säcke.
Seit gestern sind wir im Čvrsnica-Gebirge unterwegs, ein weiteres Wanderhighlight in Bosnien. Entsprechend gut sind die Wege und mehrheitlich auch die Markierungen. Das Laub der Buchen verfärbt sich bereits langsam, die Föhren so weit man blicken kann wirken beruhigend und die felsigen Abschnitte zwischendurch sorgen für optische Abwechslung.
Sollen wir zum Blidinje-See absteigen und dann die 5 Strassenkilometer zurück zu unserer Unterkunft, dem Hajdučke Vrleti Motel, gehen? Wir entscheiden uns dagegen, denn auch am Mittag fühlt sich Sonja immer noch wie ein Wanderapfel im Schlafrock und kommt nicht so recht auf Touren.
So zelebrieren wir unsere Emotionen frei nach dem Motto ‚Ich spüre das Tier in mir, es ist ein Faultier‘ und versuchen unsere Lebensgeister mit Cappuccino und Dessert wieder zum Leben zu erwecken! Werden wir nochmals so richtig durchstarten können und voll motiviert und leichtfüssig die Berge hoch- und runterhüpfen?
Pausentag beim Blidinje-See: Guter Rad ist teuer (Eddy Merckx, Radrennfahrer)
Anstatt für Bergketten entscheiden wir uns heute für Bikeketten. Es kann doch nicht sein, dass wir auch beim zweiten Mal so nah am Blidinje-See sind ohne diesen aus der Nähe zu sehen!
Die Idee ist gestern spontan entstanden, als wir Bikes zum Mieten vor unserer Unterkunft entdeckt haben. Wäre doch schön, wieder einmal andere Muskeln zu bewegen! So verlängern wir unseren Aufenthalt im Hajdučke Vrleti auch mit dem Wissen, dass wir so heute Abend wieder einmal eine Trailverabredung realisieren können.
Thomas ist auch auf Rädern zuständig für die Tourenplanung, eine abwechslungsreiche Rundtour um den Blidinje-See ist das Ziel. Die Kiesstrassen sind jedoch so grob, dass wir immer wieder Abschnitte zu Fuss gehen und das Bike stossen müssen. Unzählige auch recht frische Bärenkote wecken unsere Aufmerksamkeit, länger haben wir dies nicht mehr in dieser Menge wahrgenommen. Schlussendlich kommen wir nicht wirklich weiter als zu Fuss, dafür spüren wir ganz neue, allerwerteste Körperteile. Es bleibt aber auch ausreichend Zeit, um uns Gedanken zu unserer unmittelbaren Zukunft zu machen.
Wie sollen wir ab Morgen weiter gehen? Über die Vran-Hügelkette, das ist noch klar, doch dann reizt uns eine spannende Alternative, und zwar den Put Oluje. Dieser Wanderweg führt über rund 140 km nochmals recht abgeschieden der Bosnisch-Kroatischen Grenze entlang nach Knin. Allerdings sind die Wetterprognosen nicht mehr ganz so rosig.
Oder sollen wir nach Zadar in Kroatien reisen und dort wieder einmal unsere Hirnzellen statt die Muskeln so richtig herausfordern? In 2 – 3 Wochen könnten wir uns in einer Sprachschule bestimmt ein gutes Basiswissen der kroatischen Sprache aneignen. In allen Balkanländern ausser Kosovo und Albanien könnten wir dann immerhin etwas mitplaudern.
Für einmal ist guter Rat teuer, mehrere Optionen erleichtern das Leben nicht grundsätzlich!
Bereits Mitten im Nachmittag sitzen wir dann mit Marie-Lene aus Deutschland bei Uštipci und Pivo, bei den erlebten Trailerfahrungen vergeht die Zeit viel zu schnell. Marie-Lene wandert die VD südwärts und auch sie hat sich in der Vorbereitungsphase bei uns ein paar Ratschläge geholt, zudem hat der Blog sie ermutigt, diesen Weg auch als Frau alleine wagen zu können.
Motel Hajdučka Vrleti – Omrčenica / Tagesmotto: Abschied um Abschied
6 h / 1200 M aufwärts / 1050 M abwärts / 13.6 km
Nach dem gemeinsamen Frühstück verabschieden wir uns von Marie-Lene, für sie geht‘s weiter in Richtung Albanien und wir steigen auf zur Vran-Hügelkette.
Für uns wird es so etwas wie eine Via Dinarica Abschiedsetappe, den weiteren Verlauf unseres Weges werden wir selber gestalten und auch nur noch Highlights herauspicken wie eventuell den Velebit, je nach Lust und Wetter.
Direkt neben dem Motel führt ein angenehm angelegter Wanderweg auf die Vran-Kette, den äussersten Gipfel Veliki Vran möchten wir eigentlich nicht besteigen, doch irgendwann stehen wir ungewollt kurz vor dem Gipfel, schön erwischt!
Beim Abstieg zurück sehen wir dann den verpassten Abzweiger, wohl doch noch nicht ganz wach? Die rund 10 km auf dem Hügelzug sind wunderschön, mit Auslick auf den Blidinje-See, das Prenj-Gebirge, den Vilinac, den Buško-Jezero bis nach Tomislavgrad, unserem nächsten Ziel.
Im steten Auf und Ab bei nochmals sehr heissen Temperaturen kommen wir zünftig ins Schwitzen und unser Wasserverbrauch ist recht hoch. Bei der Alp Omrčenica nach einem ersten Abstieg verbringt noch ein Landwirt den Sommer mit seinen Tieren, da möchten wir nach Wasser fragen. Aber niemand ist zu sehen. Dafür treffen wir auf Stipe, bereits im letzten Jahr sind wir von seiner Lebenspartnerin Vesna herzlich bewirtet worden. Gut haben wir einen Pausentag eingelegt, denn bis gestern waren sie in Kroatien im Urlaub.
Es wird ein ‚höckiger‘ Nachmittag, Stipe hat lange in der Schweiz gearbeitet und spricht fast perfekt Schweizerdeutsch. Beim Eindunkeln fährt er nach Hause und wir nutzen die Gelegenheit und fahren mit nach Tomislavgrad. So können wir 25 km mehrheitlich auf Kiesstrassen kippen. Wurzelkocher im Glück!
Ostrozac – Gaj / Tagesmotto: Verwöhnt!
5 h / 830 M aufwärts / 1020 M abwärts / 14.7 km
Wir treffen uns am Vormittag nochmals zum Kaffee mit Stipe, so dass wir Vesna auch noch sehen. Nach dem gemeinsamen Einkauf mit sehr unterschiedlichen Artikeln fahren sie uns nach Ostrozac, dem Ausgangspunkt für die Überschreitung des Tušnica Vitrenik. Richtig Luxus, nur die schönen Abschnitte wandern zu ‚müssen‘ und dazwischen mit Privatfahrer chauffiert zu werden! Aber damit ist nun wohl wieder Schluss.
Der Himmel ist bedeckt und die Stimmung komplett anders als bei strahlend-blauem Wetter. Aber alles andere bleibt sich ziemlich gleich: es geht wieder einmal aufwärts!
Der Hügelkamm ist nicht ganz so spektakulär wie der Vran aber doch eine gute Alternative zur VD-Route, welche stundenlang den Windrädern entlang führt. Auch diese Hügel sind mit den drehenden Dreibeinern bestückt und Weitere sind im Bau. Im Winter soll es in dieser Gegend regelmässig stark stürmen. Aber heute drehen sie sich recht zaghaft und kommen nicht so recht auf Touren.
Der Gipfel Tušnica Vritenik ist mit Antennen und anderen Gebäuden verstellt, besonders gemütlich sieht das nicht aus. Immer mal wieder droht uns der Himmel mit dunkeln Wolken und einigen Regentropfen, aber das Wasser mag nicht einmal unsere Gedanken anzunetzen.
Nach einem mühseligen Abstieg in unwegsamem Gelände ist es doch schon 16 Uhr, als wir schon ganz nah bei unserem Tagesziel nach dem Weg fragen müssen. Pavo schaut bei seinem leer stehenden Elternhaus zum rechten und erzählt etwas traurig auf Deutsch, dass hier kaum mehr jemand wohnt. Auf dem Land gibts fast keine Arbeit und die Landwirtschaft reicht gerade knapp, um nicht zu verhungern. Die Mehrheit der Häuser hier steht leer. Die Jungen ziehen alle in die Städte oder noch lieber direkt ins Ausland.
Im Bošnjak-Household erwartet uns die 76-jährige Luja bereits ungeduldig und beginnt sofort mit dem Kochen. Dieses B&B ist ein absoluter Höhepunkt auf der VD, vor vier Jahren, also mit 72 Jahren, hat Luja mit Hilfe der VD-Organisation ihr Haus in ein B&B umgenutzt und blüht auf wie ein Tulpenfeld im Frühling. Nicht nur sie als Mensch ist ein Original, ihre Kochkünste sind kaum zu schlagen. Unbedingt hingehen und mit allen Sinnen erleben!
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