Entspricht im Rother-Führer Etappe 49
Es ist frisch in Sambuco, obwohl wir auf 1100 MüM sind. Könnten wir dieses erfrischende Gefühl nur über den Tag verteilen.
Fertig mit Pläuscheln, denn heute steht nochmals eine gröbere Tour auf dem Programm und das Wetter ist perfekt dafür. Endlich etwas Stabilität am Himmel, wir sind ja sowieso stabil und agil.
Wir alle spüren die beiden letzten intensiven Wandertage und sind nicht ganz so spritzig unterwegs. Zudem sortiert Sonja in der Nacht, wenn die anderen schlafen und Ruhe einkehrt, ihre Gedanken und versucht das Chrüsimüsi des vergangenen Tages in mühseliger Handarbeit in ein lesbares Schema zu transferieren.
Natürlich ist uns bewusst, dass heute kein Schoggischlecken wird, die 1700 HM sind nun mal und können nicht schöngeredet werden.
Trotzdem verlassen wir Sambuco in Hochstimmung, der lustige und leckere Abend steckt noch in unseren Därmen und Erinnerungen. Jeder Morgen ist auch ein Abschied und Aufbruch zu Neuem.
Bald schon überqueren wir die Hauptstrasse, welche in 22 km nach Frankreich führt. Nicht mal ein Tagesmarsch bis zum Confine di stato.
Aber wir bleiben in Italia und steigen auf der anderen Bachseite in den Wald. Und dieser Wald ist Gold wert, denn die Wegführung ist ziemlich direkt und entsprechend steil und bissig. So erklimmen wir fast schon in einem Schweigemarsch die Höhenkurven hoch und aus dem Hochgeschwindigkeitszug wird eher eine Dampflok.
Lange begleiten uns noch die Geräusche aus dem Tal; das konstante Surren der Autos, durchbrochen von auf- und abklimmendem Hundegebell, ein eifriger Rasentrimmer zischt dazwischen, zum Glück aber keine Laubbläser und Rollkoffertöne, sonst würde ein Gruppenmitglied ziemlich durchstarten.
Und endlich stehen wir auf einer eindrücklichen Hochebene beim Ricovero di Monte Vaccia. Die sanft-herbstlichen Farben lassen die Welt wieder in einem versöhnlichen Lichte schimmern. Und wir sind schon ganz schön hoch, können rückwärts auf den Colle Oselot schauen mitsamt einem Grossteil unserer gestrigen Etappe sowie der Rocca la Meja von vorgestern zeigt sich auch wieder majestätisch. Und die Orgel von Sambuco wirkt schon wieder distanziert und nicht so überheblich.
Einmal mehr müssen wir eine Wegentscheidung fällen, bei zweifelhaften Wetterbedingungen wäre es klar, aber heute kann die Mehrheit der Möglichkeit, auf der Höhe zu bleiben, nicht widerstehen.
So verzichten wir auf den Abstieg zum Ponte del Medico (Original-GTA), wir sind auch froh, brauchen wir keinen Arzt, und ziehen weiter auf der Höhe, immer mit leichter Steigung im Gepäck und genialem Blick auf die immer neuen Bergspitzen. Auch auf unser morgiges Tagesziel Strepeis/Bagni di Vinadio können wir herunter blicken und das Rifugio Migliorero ist im Talkessel ersichtlich.
Auf dem ‚ringläufigen’ Balkonweg leicht unterhalb der Krete zieht es in den Kessel hinein.
Nach rund 1 1/2 Stunden Wanderzeit besteht nochmals die Möglichkeit, abzusteigen. Wir haben aber noch nicht genug und möchten noch über den Schlussgipfel, den Testa della Costabella del Piz, nochmals rund 3 Wanderstunden für 3 km. Kann das sein? Tatsächlich, es wird ‚versüümig‘, zuerst mit Blockkletterei und im Abstieg dem Grat entlang mit ca. 80 HM Ketten gesichert (T 4,25). Eine lohnenswerte Alternative für geübte Berggänger, trockenes Wetter ist jedoch Bedingung.
Wie ein schottisches Schloss thront das Rifugio auf einem Felsen. Nur der Nebel fehlt. Aber es wird auch ohne ihn rasch frisch auf 2100 MüM und die Schlossherrschaften zieht sich in die Gemächer zu einem kurzen Schläfchen zurück. Es reicht nämlich wirklich uns allen für heute, fast etwas wandergesättigt.
Ein ruhiger Platz, unsere Füsse haben den ganzen Tag über meditiert, jetzt sind wir dran. Viel läuft heute nicht mehr, zwei Fischer versuchen noch ihr Glück und drei andere Wanderer geistern herum. Handy-Empfang gibt‘s natürlich auch nicht, so greifen wir zu den Jasskarten und unterhalten uns analog.
Fazit des Tages: wer hoch hinaus will muss unten anfangen
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