Entspricht im Rother-Führer Etappe 51
Nach einem farbigen Morgenrot ist es heute wieder mehr bewölkt. Der letzte Tag im August lässt nicht nur in uns Menschen herbstliche Gefühle aufkommen, auch die Natur und insbesondere die Vögel sind ganz ruhig. Nur der Mensch ist das ganze Jahr über aktiv und entsprechend laut.
Auch heute gibt‘s nochmals zwei Möglichkeiten, wir entscheiden uns für die etwas längere Tour durchs langgezogene Valle Tesina als Rother-Empfehlung.
So nehmen wir die positiven Schwingungen aus unserem Pausentag mit und wandern rückwärts, rund 2,5 km auf gleichem Weg wie gestern.
Die Cascata Marina liegt am direkten Aufstieg und bald schon kommen wir auf die Mulattiera. Wir folgen lange dem flüsternden Bach, wer gut zuhört, erfährt so einige Geheimnisse.
So steigen wir immer höher, zuerst noch durch einen dichten Mischwald mit Buchen und Weisstannen. Erstmals sehen wir einige Pilze am Weg, zwar keine wertvollen Speisepilze aber um dem Räuber Hotzenplotz eine Suppe aus ‚Chlöpfpilzen‘ zuzubereiten, würde es reichen. Die Landschaft wird immer verträumter und jeder fühlt sich in eine andere Filmkulisse oder Räubergeschichte versetzt.
Auch lampen erstmals reife Lamponi in den Weg und etwas weiter oben werden die Heidelbeerstauden von den eigenen Beeren fast erdrückt. So snacken wir das Tal hoch und fühlen uns wie im Schlaraffenland, die konstante leichte Steigung ist sehr angenehm.
Einmal mehr geniessen wir diese Einsamkeit und Ruhe, wir kommen gut vorwärts, die letzten Etappen liegen wie Jahrringe in unserem Muskelaufbau. Am liebsten würden wir Cervelats zum Rucksack heraus ziehen und auf dem Feuer grillen. Auch ein Jodel liegt in der Luft. Aber Durst ist schlimmer als Heimweh, und Durst haben wir ja nicht.
Je höher wir kommen, umso wilder wird die Bergwelt. Fast könnte man meinen, dass ein Riese mit Steinklötzen wie Lego-Steinen gespielt hat ohne anschliessend wieder aufzuräumen.
Und einmal mehr werden wir von plötzlich auftauchenden Menschenmassen total überrascht. Auf dem Passo Tesina kommen wir ins Gebiet um das Santuario Sant‘ Anna und es ist natürlich wieder einmal ‚fine settimana‘, gut erwischt.
Ein spektakulär angelegter Rundweg ‚giro dei laghi‘ führt über den Passo Tesina und wir entschliessen kurzerhand, dass wir unsere Etappe mit dieser Seenwanderung verlängern, schliesslich sind wir komplett auspausiert. Ganz nach dem Motto: ‚jedem Löli sein Lagöli‘ kommen wir wirklich an unzähligen, türkisblauen Bergseen vorbei.
Zwei Biker kreuzen uns auf dem steinig-terrassierten Wanderweg, oben kreisen die Geier. Ob das ein gutes Omen ist?
Nach dem Col du Saboulé können wir für eine kurze Zeit französische Alpenluft einatmen, ein kurzer Perspektivenwechsel, sind dann aber bald wieder zurück in Italien. Leider ist das Rifugio am Weg eine veraltete Bruchbude und nicht in Betrieb. Wäre bestimmt ein funktionierendes Geschäftsmodell.
So verschieben wir das Einkehren auf unser Etappenziel, das auf 2000 MüM gelegene Kloster Sant’ Anna die Vinadio. Beim Zimmerbezug müssen wir erst etwas stutzen, da sind ja gar keine Betten! Ein platzsparendes Schranksystem spuckt dann unsere 4 Schlafplätze heraus. Wer schnarcht, wird in der Nacht kurzerhand eingeklappt. Nicht sehr christlich, aber effektiv.
Am Abend dürfen wir zufällig an einer Prozession mit Laternen teilnehmen, welche zur Madonna führt. Der Pater hat alle im riesigen und auch gefüllten Speisesaal persönlich begrüsst und zur Teilnahme willkommen geheissen. Eine spezielle Erfahrung.
Fazit des Tages: Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.
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