Heute Donnerstag soll so etwas wie ein Regenerationstag werden, mit 5 Stunden Wanderzeit ist die Etappe zur Sillianerhütte und Einstieg auf den Karnischen Höhenweg entsprechend kurz.
Ohne Dolomiten-Tourismus würden in Sexten wohl nur etwa sechs Haushalte existieren. Deshalb bleiben wir nur kurz, erledigen unsere Beschaffungsgeschäfte (Food und Cash) und steigen dann auf der gegenüberliegenden Talseite direkt auf den Hüttenzustieg.
1. Etappe: Sexten – Sillianerhütte (4 h/ 1290 M aufwärts / 60 M abwärts / 10,1 km)
Zu einem Regenerationstag gehört auch ein zünftiges Zmittag, wir können dabei auf den Taleinschnitt schauen, welchen wir heute Morgen azyklisch gelaufen sind und dabei Menschenhorden gekreuzt haben. Ein bisschen Alpsteinfeeling!
Dann kommt der Aufstieg, 1000 HM ziemlich direkt. Wir sind wieder auf fast derselben Höhe wie gestern bei den Dreizinnen, dennoch fürs Auge komplett anders. Grüne Hügelzüge an der italienisch-österreichischen Grenze werden für die nächsten Tage unsere Fotosujets umrahmen. Und wir erreichen bereits das dritte Land auf unserer Wanderreise!
Da in Österreich das Biwakieren verboten ist und die Bussen einen grossen Teil unseres Budgets wegschlecken würden, werden wir wohl oder übel die nächsten Nächte in Berghütten übernachten. Die Sillianer-Hütte ist wohl der perfekte Start dazu, auch wenn sie gross ist! Tolle Aussicht, modern und hell eingerichtet und sehr freundliche Atmosphäre!
Laut den Wetteraussichten für Freitag soll es ab Mittag stark regnen. Deshalb reservieren wir zwei Betten in der nur 4 Gehstunden entfernten Obstanserseehütte. Aber wir haben ja von gestern Donnerstag noch einen halben Erholungstag zugute.
2. Etappe: Sillianerhütte – Obstanserseehütte (3 1/2 h / 330 M aufwärts / 460 M abwärts / 8,8 km)
Die nächtlichen Gewitter hinterlassen einen feuchten Untergrund und Nebel im Tal. Noch liegend im Bett können wir die Dolomiten-Seite betrachten und die von der Sonne erleuchteten Dreizinnen holen uns aus dem Schlafsack.
Der Karnische Höhenweg ist gezeichnet vom 1. Weltkrieg, unvorstellbar wie Menschen über Monate auf dieser Höhe Kälte, Schnee und Krankheiten getrotzt haben. Er wird heute auch Friedensweg genannt. Wir passieren immer wieder Schiessscharten, Schutzmauern und auch Friedhöfe für die gefallenen Soldaten.
Der Weg führt uns mehrheitlich auf dem Grat im steten Auf und Ab zur idyllisch gelegenen Hütte am See mit Pedaloverleih. Und dies auf 2304 MüM. Leider ist kein Bikini-Wetter. Zwei Kühe liefern den Hüttenwirten den Rohstoff für Almbutter, Milch, Joghurt und ab August auch Käse. Schöne Idee!
Bis jetzt sind wir positiv überrascht von der Gastfreundschaft der österreichischen Hütten: liebevoll renoviert, unkompliziert, Menues zur Auswahl bei HP, Duschen und das alles recht günstig. So schlimm ist es nun doch nicht, dass wir das Zelt nur zur Dekoration herumtragen die nächsten Tage.
Heute Nachmittag ist das erste Mal seit Wochen nur Faulenzen angesagt. Beim Lesen fallen die Lider runter und lassen uns in Almträume versinken. Mit der wider erwarten aufkommenden Sonne braucht Thomas noch ein wenig Bewegung. Die Oberstanser Eishöhle liegt unweit der Hütte und lässt trotz fehlender Eisausrüstung einen kleinen Einblick gewähren.
Wir geniessen auch den gesellschaftlichen Aspekt des Hüttenlebens, so verfliegt der Abend mit Waltraud aus Ostdeutschland mit ihren erwachsenen Kindern radibutz.
3. Etappe: Obstanserseehütte – Porzehütte (6h / 500 M aufwärts / 870 M abwärts / 11.7 km)
Eine weitere stürmische Nacht liegt hinter uns und nicht alle haben gut geschlafen. Aber der Himmel ist offen an diesem Samstagvormittag und wir folgen dem Höhenweg weiter über die Filmoorhütte bis zur Porzehütte auf sehr abwechslungsreichen Wegen.
Auch die Ausblicke verändern sich je nach Blickwinkel.
Wir begegnen immer wieder denselben Menschen: vor allem uns!
In der frisch umgebauten Porzehütte gibts früh Feierabend, denn Morgen steht die Königsetappe dieses Weitwanderwegs auf dem Programm.
4. Etappe: Porzehütte – Hochweissteinhaus (8 h / 840 M aufwärts / 930 M abwärts / 17.3 km)
Wir starten früh an diesem Sonntag, denn das Wetter ist unsicher und der Weg recht lang. Zudem oft auf dem Grat auf 2400 MüM.
Deshalb konzentrieren wir uns heute mehr auf die kleinen Sehenswürdigkeiten am Wegrand.
Das praktische an Weitwanderwegen ist, dass man sich nicht so sehr um die Routenplanung kümmern muss, denn diese ist grundsätzlich gegeben. Zudem befinden wir uns wieder auf der Via Alpina, bereits in der Schweiz sind wir gewisse Abschnitte (z.B. den Foopass) auf diesem Fernwanderweg gelaufen.
Auch heute werden wir immer wieder an den 1. Weltkrieg erinnert.
Und plötzlich zeigen sich blaue Farbtupfer am Himmel, fast als ob die Ländergrenze auch die Wettergrenze wäre. Denn auf der italienischen Seite kriechen die Nebelschwaden weiterhin empor. Auf einem Grat kurz vor der Abstiegsstelle lassen wir die wärmenden Sonnenstrahlen ihre Arbeit verrichten und wir bewundern den Adler bem Drehen seiner Runden.
Die Kraxelstellen und die luftigen Grätlein sind geschafft, die immer dunkler werdenden Wolken aus den Dolomiten beeindrucken uns nicht. Tja, falsch interpretiert. Denn auf der letzten Wegstunde zum Hochweisssteinhaus gibts nochmals Action. Der Weg führt im Hang und mehrere Taleinschnitte wollen begangen werden. In zwei davon liegt noch ein Altschneefeld eines Lawinenkegels. Zeitlich gut abgestimmt setzt Hagel ein, genau zu dem Zeitpunkt als wir das ca. 20 Meter breite Schneefeld etwas unelegant überqueren. Optisch eine Bereicherung, setzen doch die schneeweissen Hagelkörner tolle Kontraste im mehrfach befleckten Altschnee. Und dies alles von Donnerknarren in tiefen Basstönen begleitet. Ausrutschen verboten, denn die Regenkleidung ist auch Rutsch-Funktionswäsche auf Schnee!
Das Thema auf der Hütte ist gegeben, jeder erzählt seine persönliche Hagel-Gewitter-Geschichte. Am Tisch mit Claudia und Christoph, einem Tiroler Paar welchem wir bereits gestern begegnet sind, gibts dann noch viele weitere spannende Themen.
5. Etappe: Hochweissteinhaus – Untere Valentinalm (9 h / 1100 M aufwärts / 1760 M abwärts / 21 km)
Ist tatsächlich schon wieder Montag? Die Tage verfliegen, das Datum ist irgendwie unbedeutend. Einzig der Monat gibt etwas Struktur und mit dem kommenden Wechsel zu August streckt der Sommer seine Füsse bereits wieder Richtung Herbst.
Aber heute schnuppern wir nochmals Sommerluft, unsere Etappe führt uns über zwei Pässe, und Gräte sind höchstens von Weitem in den Bergseefischen zu erahnen.
Die Almen sind lieblich, die Galtlig neugierig, die Munggen zutraulich, die Berge schroff, die Wege steinig und die Sonnenstrahlen ausdauernd.
Die Wolayer-See-Hütte bietet sich als Etappenziel regelrecht an: direkter Zugang zum See, windgeschützte Veranda zum Verweilen, Panoramafenster Richtung Süden, moderne Infrastruktur. Und das alles zum Alpenvereinspreis.
Doch wir habens verpasst, zu reservieren und brechen nach einer Strandpause nochmals auf, zuerst übers Schneefeld hoch zum Valentinstörl und steigen dann auf 1200 MüM ab, zum Gasthaus untere Valentinalm.
Wir sind bald 12 Stunden unterwegs und die Knie rufen nach Erholung. Und wer sitzt da in der Gartenwirtschaft? Claudia und Christoph warten auf das private Taxi, ihre vier Etappen auf dem KHW sind hier beendet. War schön, euch immer wieder getroffen zu haben!
Wir gönnen uns ein Doppelzimmer und vor allem endlich wiedermal eine Dusche.
1 Kommentar
niklaus · Juli 29, 2020 um 20:28
Mit Freude habe ich euren Blog über den khw gelesen. war vor ca. 8 Jahren mit lilian dort unterwegs 🙂