Baške Oštarije – Šugarska duliba (6 1/2 h / 900 M aufwärts / 620 M abwärts / 16.1 km)

Die Camping-Besitzerin, welche total fasziniert ist von unserer Weitwanderung, bietet uns beim Verabschieden Kaffee und Kekse an. Wir verzichten, nehmen aber stehend noch ein paar Guetzli zu uns. Es ist bereits halb neun und somit später als geplant, denn wir möchten heute wieder Distanz hinlegen.

Die ersten Kilometer gehen wir im Wald, ein verlassen wirkender Skilift deutet an, dass hier auch Winter sein kann. Aber heute Samstag ist es eher tropisch, nämlich feucht und heiss.

Wir können uns Schnee nur schwer vorstellen
Auf der Waldseite ist es angenehm kühl

Bald stehen wir wieder inmitten dieses Naturmuseums mit unzähligen Gebilden aus Karst, welche über Jahrtausende durch Gletscher und Wasser entstanden sind. Und auch dann noch stolz hier stehen werden, wenn sich der Mensch wegrationalisiert hat. Besonders reizvoll ist es, plötzlich wie durch ein Fenster wieder aufs Meer schauen zu können.

Naturmuseum aus Karstgebilden
Fenster mit Meersicht

Einmal huscht eine von unseren Tritten aufgeschreckte kleine Schlange davon, etwas später kreisen unzählige Krähen laut referierend um einen Gipfel. Doch ansonsten herrscht einfach grosse Stille.

Kleine Schlingnatter zieht davon

Um einigermassen autark zu sein in Bezug auf Strom, laden wir jeweils tagsüber unterwegs eine Powerbank mit dem Solarpanel. Dies funktioniert sehr gut, solange die Sonne ausreichend scheint. Zur Navigation sind wir auf ein funktionierendes Handy angewiesen, ohne dieses Hilfsmittel würden wir wohl immer noch in Kroatiens Norden in den Wäldern im Kreis drehen.

Solarpanel als Rückenpanzer

Wir benötigen länger als geplant, um bis zur Schutzhütte Šugarska duliba zu gelangen. Es ist ein absolut genialer Platz mit einem funktionierenden Ziehbrunnen in der Nähe. So gönnen wir uns bereits um 15 Uhr das Etappenziel. Allerdings trauern wir dem angebotenen Morgenkaffee etwas nach und das nächste Mal werden wir uns bestimmt die Zeit nehmen.

Wassertragen statt Kaffee und Guetzli

Dafür gibts wieder einmal Feierabend-Sport, ohne Gepäck fliegen wir beinahe auf den Gipfel nahe der Hütte und empfinden unbeschreibliche Zufriedenheit, beim Ausblick in alle Himmelsrichtungen.

Gipfelglück auf dem Veliki Stolac
Von dort kommen wir
Einsame Gipfel
Zweisame Gipfel

Auf der Hütte übernachten wir zu Dritt, eine Slowenin, welche wir vorgestern bereits in Skorpovac getroffen haben, ist bereits vor uns auf der Hütte. Wiedersehen macht auch in der Ferne immer noch Freude! Sie geht auch einen Teil der Via Dinarica, wird aber vor Bosnien nach Hause kehren, da sie den geforderten Covid-Test für die Einreise nicht durchführen möchte. Wir lassen es noch offen, ob wir diesen Aufwand (zeitlich und finanziell) mitspielen werden.

Schutzhütte mit Schaufenster…
… und Abendsonne
Šugarska duliba – Veliko Rujna (8 1/2 h / 640 M aufwärts / 960 M abwärts / 23.6 km)

Unser Sonntagsspaziergang führt uns erstmals an Minengebieten vorbei. Das löst sehr gemischte Gefühle aus, denn der Krieg in Jugoslawien ist in unserer Erinnerung noch sehr präsent.

Minenwarnung

Ansonsten gehts weiter wie bis anhin, auf der Meerseite in trocken-heisser Vegetation und auf der dem Landesinnern zugewandten Seite durch angenehm erfrischende Wälder.

Trocken-heisse Meerseite
Erfrischende Wälder mit Tiefgang

Die Herbstzeitlosen feiern mit uns die Zeitlosigkeit.

Zeitlos durch den Herbst

In Stap stocken wir unsere Wasservorräte auf 9 Liter auf, so sind wir auf der sicheren Seite. Vielleicht werden wir nach unserer Wanderung Wasserverkäufer in Marrakech!

Felsspitze Stapina
Asterix und die Operation Hinkelstein

Doch im Verlauf des Nachmittags ändert sich das Landschaftsbild, zwischen den Felszügen tauchen Hochebenen mit Viehweiden auf, allerdings sind viele verlassen.

Das einzige Rindvieh weit und breit
Salbeigeschmack statt Kuhlätteriduft
Endlose Weite

In Veliko Rujna kann bei der Kapelle übernachtet werden. Der Platz ist grosszügig und offen, es hat Bänke, Wasser und Strom. Zudem führt eine Steinmauer herum, so dass wir keinen nächtlichen Besuch von weidenden Kühen und Pferden befürchten müssen. Wir schlagen unser Zelt auf, obwohl wir das Nachtlager für uns alleine hätten, ist einfach gemütlicher.

Veliko Rujna: tolles Etappenziel
Guet Nacht!
Veliko Rujna – Veliko Libinje (9 1/2 h / 1120 M aufwärts / 1120 M abwärts / 24.6 km)

Unsere Schlafmatte verliert etwas Luft, so sind wir bereits um 7 Uhr abmarschbereit. Auch eine Zeltstange weist einen kleinen Riss auf, wir haben ihn mit Klebeband fixiert. Unser Material zeigt erste Abnützungserscheinungen, und dies vor uns! Gut so, denn unsere Leiden wären nicht gleich einfach zu beheben.

Der Tag ist synchron mit uns am Erwachen, doch bei uns gehts plötzlich rasant: drei Herdenhunde stehen auf unserem Weg und sind schon voll wach. Doch wir erkennen bald, dass sie eher neugierig als aggressiv sind und wo sie ihre Herde zum Beschützen haben, ist uns auch ein Fragezeichen.

Sanftes Erwachen
Herdenhunde ohne Herde

Beruhigt ziehen wir weiter und stehen schon bald im Paklenica-Nationalpark, der letzte im Velebit-Gebirgszug. Ein richtiger Bergweg führt uns auf den Passübergang und die nächste Hochebene.

Auch Gemsen mögen diesen Bergweg
Passübergang Buljma am frühen Morgen

Erste Nebelfelder ziehen aus dem Landesinnern auf, unser Weg führt uns weit oben über diesen Gebirgszug und wechselt dabei immer wieder die Seite. So können wir den Kampf der Winde am eigenen Körper miterleben, denn die Krete ist die natürliche Barriere der Wolken aus dem Landesinneren.

Wolken ziehen auf
Mehrmals wechseln wir die Wetterfront

Da der geplante Gipfel Sveto brdo in den Wolken schmort, schenken wir uns diesen Umweg. So sind wir bereits am frühen Nachmittag am Etappenziel bei der wunderschönen, neu erbauten Schutzhütte Vlaški grad. Am liebsten würden wir bleiben. Aber Morgen sind noch 42 km bis zur Zivilisation, das heisst Restaurants, Bars, Betten, Einkaufsmöglichkeiten. Nach 7 Tagen fast ausschliesslich mit Rucksackfutter ist das schon ein Ansporn.

Neue Schutzhütte Vlaški grad

So brechen wir nach dem Kochen auf und beginnen mit dem Abstieg.

Diese Strasse führt aus dem Velebit-Gebirge

Der Wind nimmt laufend zu, sollen wir unsere angeschwächte Zeltstange gleich auf die Probe stellen? Aber zum Glück hat es nach etwa 2 Gehstunden nochmals eine Schutzhütte, die Veliko Libinje, und wir nehmen dieses Angebot doch gerne an.

Wohltuendes Fussbad bei der Schutzhütte Veliko Libinje

In Velebit-Gebiet gibt es viele Schutzhütten, sie sind einfach ausgestattet, bieten einen Holzherd und Liegeplätze, aber vor allem Unterschlupf bei Wetterumbrüchen. In manchen steht ein Kässeli für freiwillige Spenden, ansonsten sind sie einfach für alle offen. Diese Schutzhütten haben uns ans Val Grande erinnert, in Norditalien gibts einen tollen Nationalpark mit ganz ähnlichem Konzept.

Veliko Libinje – Gračac (8 1/2 h / 570 M aufwärts / 900 M abwärts / 36.3 km)

Der Schutzkontainer hat wacker gerüttelt in der Nacht und auch der Dienstag startet luftig und böig. Wir möchten heute die vielen Kilometer bis Gračac vernichten, denn unsere Nahrungsvorräte erleben einen Tiefpunkt.

Es ist eine schöne Erfahrung, in dieser windigen Morgenstimmung durch die Filmkulisse der Winnetou-Filme zu wandern. So fühlen wir uns als stolzer Bär und singende Wölfin, gehen mit 1 MS (Menschenstärke) und rechnen jeden Moment damit, dass Pierre Brice charmant um die Ecke reitet und uns vor der langen Tagesetappe rettet.

Morgenstimmung im südlichen Velebit
Kilometer vernichten auf Kiesstrassen

Doch die Sonne steigt höher und wir schreiten Schritt für Schritt aus dem Velebit-Gebirge, über Forststrassen, durch Wälder und Weideland bis wir um halb vier zurück in der Zivilisation sind.

Winnetou-Filmkulisse
Bienenstöcke mit garantiert Bio-Honig

Diese Etappe führt über rund 40 km auf Kiesstrassen, da die Bergrouten durch noch nicht geräumtes Minengebiet führt. Die Minenräumungen sind noch im Gange. Eine Variante wäre jedoch über den Sveto brdo zur Schutzhütte Dušica zu gehen und dann den Abstieg auf die Forststrasse zu wandern.

Kiesstrassen-Rallye

Wir haben die Velebit-Gebirgskette in 7 Tagen durchwandert und sind total begeistert von diesem abwechslungsreichen Abschnitt. Uns war nicht so bewusst, dass wir nur in Baške Oštarije unsere Bäuche richtig füllen können und ansonsten von unseren Vorräten zehren müssen. Aber es geht gerade auf, ansonsten hätten wir vielleicht heute noch den Crnopac angehängt. Fazit: beim Einstieg ins Velebit-Gebirge Nahrung für 8 Tage einpacken, dann ist man auf der luxuriösen Seite. Wasser gibts bei jeder Schutzhütte und diese sind zahlreich vorhanden. Unser Budget haben wir wieder hinuntergetragen, das war die günstigste Woche bis jetzt: 100 Franken für uns beide haben wir gebraucht. Da liegt der Covid-Test doch drin?

Bahnübergang kurz vor Gračac

In Gračac finden wir eine tolle Unterkunft im Guesthouse Cerovac, der Besitzer fragt salopp, von wo wir kommen und meint auf unsere Antwort ‚Schweiz‘ nur: alles zu Fuss haha. Jaja alles zu Fuss. Staunen, dann gibts ein Gratisbier und ein interessantes Gespräch. Eine sehr persönliche Geschichte eines aus Bosnien vertriebenen katholischen Kroaten, der noch nicht vergessen hat.

Und natürlich das Wichtigste zurück im Schlaraffenland: zum Znacht gibts ein Riesen-Cordonbleu!

Bäuche füllen – Mmhhhh

Weiter gehts Richtung Knin, dort werden wir eine kleine Pause einlegen, denn die bosnische Grenze naht bereits.


1 Kommentar

Trudi Bruderer · September 11, 2020 um 21:55

Hallo Sonja und Thomas
Heute hat mir Reini eure Bilder bzw. den Link zu euern Wanderbeiträgen mitgeteilt.
Ihr seid ja grossartig und mutig unterwegs. Ich staune, wie viele Kilometer und Höhenmeter ihr täglich hinter euch bringt. Gratuliere. Auch die Kommentare sind sehr interessant zu lesen – mit viel Freude und Humor geschrieben.
So was hätte mich in jüngeren Jahren auch gluschtet, doch heute könnte ich solche Strapazen nicht mehr bewältigen. Trotzdem bin ich noch sehr oft in den Bergen unterwegs nd ich geniesse und liebe die Berge mehr denn je.

Macht weiter so.Ich wünsche euch weitere interessante Begegnungen und wundervolle Wanderungen in fremden Ländern.

Alles Gute und herzliche Grüsse Trudi

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