Gračac – Pribudič (9 h / 630 M aufwärts / 670 M abwärts / 38.1 km)
Wir verlassen Gračac am Mittwoch mit gemischten Gefühlen, denn die rund 60 km bis Knin führen mehrere Kilometer der gut befahrenen Hauptstrasse entlang und über zwei Hügelketten, wobei diese Pfade nicht empfohlen werden, da sie einmal mehr überwuchert sind.
Doch nach rund 15 km Lastwagen-Gebrumm basteln wir uns eine eigene Via Dinarica, welche über wenig befahrene Kiesstrassen führt. Dieses Gebiet ist sehr dünn besiedelt und wir kommen an mehreren Geisterdörfern vorbei.
Aber auch eine andere Seltenheit liegt am Weg: eine Quelle mit frischem Brunnenwasser. Wann haben wir den letzten Brunnen gesehen? Wir können uns nicht erinnern… Eine richtige Wohltat in der Nachmittagshitze!
Pribudič – Knin (5 h / 210 M aufwärts / 500 M abwärts / 22.4 km)
Obwohl wir gefühlt im Nirgendwo sind, erleben wir eine spannende Geräuschkulisse durch die Nacht auf Donnerstag. Auf der Kiesstrasse unter uns rattert tatsächlich um Mitternacht ein Auto vorbei, eine Stunde später führt ein auf dem zerfallenden Hausdach sitzender Uhu Selbstgespräche. Weiter gehts mit einem Geheul, möglicherweise von Schakalen oder Wölfen und gegen Morgen fährt ein Güterzug in ohrenbetäubendem Lärm über die Hügel. All dies begleitet von Hundegebell im Dreivierteltakt.
Beim Zusammenpacken knackt die kränkelnde Zeltstange nochmals und eine Reparatur ist unausweichlich. Zum Glück sind wir kurz vor Knin, eine der grösseren Städte auf der Via Dinarica.
Der Weg dorthin wird gegen Schluss recht zäh: es ist heiss, unser Trinkwasser lau und die letzten Kilometer müssen wir nochmals der Hauptstrasse entlang. Der Ausblick auf unser nächstes Ziel, den ‚Dinara’ und höchsten Berg von Kroatien, lässt uns auf angenehmere Wanderabschnitte hoffen.
Bereits um die Mittagszeit sitzen wir in einem Café in Knin und suchen uns eine Unterkunft. Gleich unterhalb der Burg finden wir in einer Altstadtwohnung ein gediegenes Zimmer mit Küche zur Mitbenutzung (Prenočiste Kastel). Die Vermieter, zwei herzliche Schwestern welche in dieser Wohnung aufgewachsen sind, zeigen eine grosse Begeisterung von unserer Geschichte, so dass sie fast alles für uns tun würden. Kurzerhand entscheiden wir, zwei Nächte zu bleiben.
Unsere freien Tage sind immer auch mit ‚Arbeit‘ verbunden: wir sind positiv überrascht, dass wir fast zufällig an einem Eisenwarenhandel vorbeikommen und unserem Sorgenkind einen ‚Fixateur externe‘ anlegen können.
Dann gibts auch immer Bürokram zu erledigen, die kommenden Tage zu organisieren, Vorräte einzukaufen und ganz wichtig: Murmeltiere nachahmen und Fettreserven anfressen. Denn die Kilos am Körper müssen nicht im Rucksack mitgetragen werden.
Knin (15‘000 Einwohner)
Während des Kroatienkrieges 1991 bis 1995 stand die vorwiegend von Serben bewohnte Stadt Knin unter serbischer Kontrolle und fungierte als Haupstadt der Republik Serbische Krajina. Der später wegen Kriegsverbrechen verurteilte Dragan Vasilijković führte den Großteil der ortsansässigen Paramilitärs an. Der kroatische Bevölkerungsteil der Stadt und der Umgebung wurde 1991/1992 fast vollständig vertrieben, deren Häuser geplündert und angezündet, sowie katholische Kirchen und Klöster verwüstet.Im Jahr 1995 wurde die Stadt während der Militäroperation Oluja durch die Kroatische Armee erobert, wobei es laut Anklagen am Internationalen Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien zu schweren Verbrechen an der Zivilbevölkerung kam, nachdem der größte Teil der serbischen Bevölkerung bereits zuvor geflohen war.Nach Kriegsende kehrten die vertriebenen bzw. geflohenen Kroaten größtenteils zurück. Auch die Serben sind, vor allem seit dem Regierungswechsel im Jahr 2000, zum Teil zurückgekehrt. Quelle: Wikipedia
Wir sind positiv überrascht vom Lebensgeist in Knin, es sind noch Kriegsspuren sichtbar, z.B. Schusslöcher in Fassaden, und am Stadteingang stehen einige heruntergekommene Gebäude. Aber der Stadtkern lebt, viele junge Menschen sind unterwegs und das Ambiente ist locker und fröhlich.
Knin – Glavaš (10 h / 1650 M aufwärts / 1290 M abwärts / 31.1 km)
Wir verlassen Knin früh am Samstag, Schluss mit Faulenzen. Eine längere Tour steht an und wir möchten den Aufstieg auf den Dinara nicht bei Mittags-Hitze gehen. Einige Höhenmeter stehen auch an, denn Knin liegt auf 200 MüM und der höchste Gipfel von Kroatien auf 1831 MüM.
Der Weg führt langgezogen und in einem grossen Bogen zum Aufstiegsort bei der Berghütte Brezovac. Und sie ist heute sogar bewartet. Wir werden zu einem selbstgebrauten Kräuter-Šnaps eingeladen, Widerrede zwecklos. Es ist erst Mittag, deshalb keine Option zum Übernachten obwohl wir uns hier sehr wohl fühlen.
Ein kroatisches Paar bricht mit uns zum Gipfelaufstieg los und wir geniessen den Austausch auf Englisch. Nicht immer ist eine Kommunikation möglich, vor allem ältere Menschen sprechen nur Kroatisch. Aber oft konnten wir uns auch auf Deutsch verständigen.
Die Bosnische Grenze ist nun zum Greifen nah, ein Wanderweg führt in 3 h in ein Bosnisches Dorf. Aber wir bleiben noch für ein paar Tage in Kroatien, denn sobald wir jeweils richtig wohl sind in einem Land, gehts jeweils schon ins nächste.
Wir steigen wieder ab auf 550 MüM nach Glavaš, dort steht ein Übernachtungscontainer. Doch er ist verschlossen. Wir bleiben trotzdem und schlagen unser Zelt auf. Um 20 Uhr ist es bereits dunkel und somit Zeit für den Schlafsack.
Glavaš – Dabar (7 h / 160 M aufwärts / 350 M abwärts / 26.7 km)
Es gibt Tage im Leben, welche man zügig hinter sich bringen möchte. Und die gibt es natürlich auch beim Weitwandern, zum Beispiel dann, wenn Dutzende von Kilometern der Strasse entlang gewandert werden müssen und Temperaturen von über 30 Grad herrschen.
Zu allem Elend sind wir heute Sonntag beide ein wenig lahm unterwegs, im Verlauf des Tages potenziert die Hitze diesen Zustand noch. Sonst verteilen wir unsere unmotivierten Tage jeweils besser, so dass immer einer das Zugpferdchen ist.
Die erste Stunde ist noch versöhnlich und führt uns zur Cetina-Quelle. Dieser Ort lädt bereits zum Verweilen ein und wir lassen uns gerne zu einer Pause verführen.
Ein glücklicher kleiner Orientierungsfehler führt uns bereits eine Stunde später zurück an den Cetina-Fluss, wo wir dankend auf der Sitzbank Platz nehmen. Zeit für eine erste Runde snacken? Oh ja.
Von hier geht es meist auf Strassen dem Peruca-Stausee entlang, dem grössten kroatischen See. Entlang heisst aber leider nicht, dass wir ihn sehen können.
So bleibt die Wandermotivation heute ziemlich im Keller und wir beschliessen, oder wohl eher ergeben uns bereits am frühen Nachmittag an der einzigen zugänglichen Bucht. Die gefällt uns auf Anhieb und hebt unsere Stimmung wieder an.
Ein erfrischendes Bad im See bringt unsere überhitzten Körper wieder in den Wohlfühlzustand.
Dabar – Trilj (9 1/2 h / 270 M aufwärts / 350 M abwärts / 36.5 km)
Eigentlich stehen die Vorzeichen für heute Montag ziemlich gleich wie gestern, dennoch starten wir mit einem Aufbruch-Gefühl positiv in den Tag. Nach rekordverdächtigen 3/4 Stunden Zusammenpacken, Frühstücken, Zähneputzen… sind wir um Viertel vor sieben abmarschbereit. Obwohl wir wieder viele Kilometer der Strasse entlang gehen, bietet die Gegend heute doch mehr Abwechslung fürs Auge.
Bereits um 9 Uhr gibts Cappuccino, welcher sich als heisse Schoggi entpuppt und unsere Energiespeicher füllt.
Mehrmals hupen uns kreuzende Auto- oder Töfffahrer und winken uns aufmunternd zu. Was sie über uns denken, können wir höchstens erahnen. Ähnliche Gedanken kommen uns auch von Zeit zu Zeit…
In der Caffe-Bar in Obrovac Sinjski gönnen wir uns während der Mittagshitze ein kühlendes Getränk unter den lauschigen Bäumen. Der Wirt ist begeisterter Weitwanderer und war schon auf dem Camino nach Santiago unterwegs. Er bietet uns spontan ein Gratisbett an, aber einmal mehr, es ist einfach noch zu früh.
Wir weichen wieder einmal von der Originalroute ab und wählen den Pfad der Cetina entlang. Eine unglaublich schöne Naturlandschaft öffnet sich, ein Eisvogel fliegt knapp über dem Wasserspiegel vorbei, und zwei Švicarski lösen elegant ihre Salzkruste im erfrischenden Wasser.
Nach Otok kommen wir auf den Pilgerweg ‚Pfad der Muttergottes von Sinj‘, ausser dass hin und wieder eine Statue in der Sonne schmort, ändert sich nichts. Wir gehen tapfer der Hauptstrasse entlang. Bis plötzlich eine Männerstimme von einer Pergola ‚Pivo, pivo‘ ruft. Immerhin können wir schon soviel kroatisch, dass wir das offerierte Bier auch annehmen können. Wir verbringen die Nachmittsgshitze in gemütlicher Runde mit Ivan aus Zagreb, Maria der Schwester und Maria der Schwägerin. Schön, dass Ivan sogar ein wenig Deutsch spricht. Reich beschenkt und mit Zusatzgewicht zielen wir auf eine Übernachtung in Grab.
Vor sechs Tagen sind wir bei Grab in Gračac gestartet, heute beenden wir diesen Abschnitt in Grab bei Trilj, so schliesst sich der Kreis.
Doch das mit der Übernachtung ist einmal mehr nicht so einfach. In Grab gibts wohl Gräber, aber keine Betten. In der Dorf-Bar schicken sie uns in eine Unterkunft in Richtung Trilj. Nach 1 1/2 km Zusatzweg die Ernüchterung: kein freies Zimmer. Die Polizei nimmt uns auch noch heraus, aber als wir ihnen unsere ID zeigen, reagieren sie mit: Ah, Švicarski! No problem! Und lassen uns einfach lachend auf der Strasse stehen.
Zurück in der mittlerweile gut gefüllten Bar diskutieren die Gäste wo wir wohl schlafen könnten. Ein Telefon und das Zimmer ist gebucht, inklusive Gratisfahrservice. Wir staunen einmal mehr.
Es fehlen uns noch 26 km bis zum Grenzpunkt bei Kamensko, somit werden wir Morgen den kroatischen Teil der Via Dinarica abschliessen. Wir melden uns hoffentlich aus Bosnien wieder, je nach dem früher oder später. Bis dann!
Nachtrag für die Statistik:
1 Kommentar
Margrit Angehrn · September 20, 2020 um 19:45
Hallo miteinander
mit Freude lesen wir jeweils Euren Blogg, den mir Reini weiterschickt. Gratuliere Euch!!!! ist ja enorm, welche Distanzen Ihr zurücklegt und spannend, was Ihr alles erlebt. Und eine sehr unterhaltsame Schreibweise Sonja, Gratulation. Freue mich auf weitere dokumentierte Erlebnisse von Euch. Natürlich musste ich gleich die Beiträge über die GTA lesen – ist schon fast gebucht für nächstes Jahr 🙂
Liebe Grüsse
Margrit und Clemens