Reisen auf albanisch

Wir entscheiden uns für den Reiseweg über den Komansee um das Valbona-Tal zu verlassen, denn der 34 km lange See zieht sich durch das fjordähnliche Tal des Drin und ist kaum je breiter als 400 Meter.

Von Valbona nach Shkodër über den Komansee

Da keine Touristensaison mehr ist, fährt nur noch die 6-Uhr-Fähre, so werden wir bereits um 4.30 Uhr vom Taxifahrer im Hotel abgeholt. Der Kellner ist auch schon für uns aus dem Bett gehüpft und serviert uns Cappuccino und Saft, unser Fahrer nimmt auch noch einen Rakija… das lassen wir dann doch sein! Die beiden riesigen Lunchpakete nehmen wir jedoch mit auf den Weg, man weiss ja nie wie lange eine Reise dauert.

Auf löchrigen Strassen, welche auch immer wieder mit frischem Steinschlag bedeckt sind, werden wir auf einer etwas abenteuerlichen Fahrt durch die dunkle Nacht zum Hafen von Fierzë chauffiert. Der fast noch volle Mond guckt immer mal wieder hinter den immer kleiner werdenden Bergen hervor. Oh nein, kurz vor Fierzë tauchen wir in eine Nebelsuppe, das wäre sehr schade, wenn wir diese spektakuläre Fahrt im Blindflug bestreiten müssten.

Der Wasserstand ist tief um diese Jahreszeit und so fährt angeblich nur die kleine Fähre ohne Autotransport. Ein ausrangierter Autobus wurde dazu auf ein Boot gesetzt und so fühlt es sich an, wie Busfahren auf Wasser. Zum Einsteigen müssen wir mit unseren Rucksäcken über das Geländer klettern, zum Glück sind wir noch so jung und beweglich!

Einstieg auf das kleine Boot links führt über die Fähre und dann das Geländer

Das Busboot tuckert gemütlich durch den Nebel, mehrmals hält es am Ufer, um einheimische Fahrgäste aufzuladen. Die Küste des Komansees ist schwach besiedelt, an vielen Orten ist der Bootsweg die einzige Transportmöglichkeit denn Strassen sind keine vorhanden.

Ein ausrangierter Bus zum Boot umgebaut
Fensterplatz durch die Fjorde
Ein Passagier wird mit dem kleinen Boot zum grösseren gefahren und steigt dann zu

Genau im richtigen Moment lichtet sich der Nebel und die albanischen Fjorde zeigen sich immer deutlicher. Zum Schluss der Fahrt ist dann sogar fast jeder Platz im Bus besetzt, alles Einheimische bis auf wir beiden und ein in Deutschland lebender Japaner.

Gemütliches Tuckern durch die fjordähnliche Landschaft
Die Nebelschwaden verziehen sich immer mehr
Das Deck lässt nicht sehr viel Auslauf zu

Nach 2 1/2 Stunden Fahrtzeit erreichen wir den Staudamm von Koman, dort wartet bereits ein Shuttle-Bus, welcher uns nach Shkodër bringen soll. Auch der Strassenbus ist voll besetzt und ein reger Gesprächsaustausch kreuz und quer durch alle Reihen, begleitet von Lachen, findet während der nochmals 1 1/2-stündigen Fahrt statt. Niemand mit Kopfhörern, Unterhaltung findet live statt.

Plötzlich hält der Bus am Strassenrand, einige Fahrgäste steigen aus. Es passiert lange einfach nichts. Irgendwann steigen dann alle wieder ein und wir fahren weiter. Anscheinend hätten dort noch weitere Mitfahrer zusteigen wollen, es kam ihnen wohl etwas dazwischen.

In Shkodër fährt der Bus dann nicht zum Busbahnhof, sondern vor die Häuser der Fahrgäste. Das wird dauern, bei diesem 20-ig-Plätzer! Doch bald sind wir im Zentrum und somit ist für uns Endstation bevor der letzte Gast heimgeliefert wurde. Die Menschen haben einfach ein anderes Zeitbudget als Mitteleuropäer, wunderschön!

Shkoder – Nordalbanisches Zentrum

Es ist bereits früher Nachmittag, als wir in Shkodra eintreffen und uns für eine Nacht niederlassen. Vor drei Jahren hatten wir sintflutartige Regenfälle und konnten kaum einen Eindruck der Stadt gewinnen. Das möchten wir nun nachholen.

Die Geschichte von Shkodra mit ihren ca. 100‘000 Einwohnern beginnt im 4. oder 5. Jahrhundert. Durch die bewegte Geschichte war die Stadt immer wieder stark umkämpft. Während der Atheistenphase zwischen 1967 bis 1990 wurden ausserordentlich viele historische Bauten, insbesondere religiöse Gedenkstätten zerstört. So präsentiert sich Shkoder sehr modern und verrät äusserlich kaum etwas von seiner bewegten Vergangenheit.

Am Südeingang von Shkoder throhnt die Festung Rozafa über der Stadt.

Rozafa-Festung

Durch das bis 1990 geltende Religionsverbot herrscht eine sehr grosse Toleranz unter den Religionen. Hochzeiten zwischen moslemisch und christlich Gläubigen sollen in Albanien üblich sein. Viele Moscheen und Kirchen wurden in den letzten 30 Jahren wieder aufgebaut.

Gelebte Toleranz der Religionen ist auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel auf Busfahrten spürbar
Durrës und Umgebung

In Durrës besuchen wir Rolf und Sofjie. Sie sind vor 8 Jahren von Münchwilen hierher ausgewandert und wohnen direkt am Strand. Wir dürfen für einige Tage ihre Gäste sein und erfahren viel Spannendes über das Land, die Leute und natürlich über ihre Erlebnisse und Visionen in Albanien.

Austausch auf Schwizerdütsch in Durrës

Durrës ist mit ca. 230’000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt und liegt an der Adria. Hier befindet sich der grösste Hafen des Landes, Fähren führen mehrmals wöchentlich ins benachbarte Italien nach Bari.

Hafen von Durrës
Kepi i Rodonit: Eindrückliche Halbinsel
Glitschige Passage: Fällt sie, fällt sie nicht?
Rund 200‘000 dieser Bunker wurden zwischen 1972 bis 1984 unter der Herrschaft von Enver Hoxha im sozialistischen Albanien gebaut. Sie sollten der Verteidigung des Landes im Falle einer Invasion durch ausländische Truppen dienen.
Abendstimmung in der Lagune von Patok
Tirana – die pulsierende Hauptstadt

Tirana ist die einzige wirkliche Großstadt Albaniens mit ca. 800‘000 Einwohnern. Es geht recht turbulent zu und her, sowohl auf den Strassen wie in den Fussgänger-Gassen. Auch an die Fahrradfahrer wird gedacht, auch wenn diese wohl keine Verkehrsregeln zu beachten haben. Die moderne Stadt wirkt mit ihren vielen Grünflächen, Flaniermeilen und den bunten Gebäuden erstaunlich einladend.

Historisches Nationalmuseum am Skanderberg-Platz
Pyramide von Tirana im Zerfallsprozess – ursprünglich als Enver-Hoxha-Museum geplant
Gastfreundschaft in Albanien

Besonders beeindruckend ist die Gastfreundschaft in den ländlicheren Umgebungen. Stehen wir mal ratlos an einer Ecke eilt sofort Hilfe herbei, ohne dass uns gleich etwas verkauft werden möchte.

Einige Male werden wir in ein Café eingeladen, auch von Leuten, mit denen wir uns kaum unterhalten können . Es fällt uns jeweils schwer, wenn nicht wir mit dem dickeren Portemonnaie die Rechnung bezahlen dürfen.

Die Menschen sind ausserdem sehr interessiert und so dürfen wir immer wieder von unserer Fuss-Reise erzählen. Es macht Spass in die ungläubigen und faszinierenden Augen zu blicken.

Perspektiven in Albanien

Die bis vor kurzem aufstrebende Reisebranche in Albanien ist faktisch tot durch die weltweiten Reisebeschränkungen. In Elbasan besuchen wir Gerdi mit Familie. Er hat zusammen mit Reini vor drei Jahren die 10-tägige Wanderreise in Nordalbanien organisiert und uns begleitet. Gerdi hat sich anfangs Jahr selbstständig gemacht und ist nun ohne Einkommen. Immerhin konnte er einige albanische Leute in die Berge locken (ohne Bezahlung), aber meist nur für Tagestouren, da den Leuten das Geld und Material für mehrtägige Touren fehlt. Uns hat erstaunt, dass im Valbona-Tal mittlerweile viele Einheimische Urlaub und Wochenende verbringen. So hatten die Guesthäuser mit Strassenzugang eine recht gute Saison.
Da Gerdis Frau auf dem Finanzamt arbeitet, kann sich die Familie finanziell über Wasser halten.
Durch die Corona-Massnahmen (nicht durch Corona) werden auch hier Tausende Existenzen bedroht, insbesondere diejenige weiche mit ehrlicher Arbeit ihr Geld verdienen. Wenn Gerdi die Möglichkeit hätte nach Mitteleuropa auszuwandern, er würde sofort mit seiner Familie gehen. Und das haben wir von sehr vielen jungen Albanern gehört. Keine Zukunftsperspektiven im eigenen Land… der Lohn reicht gerade so zum Leben.

Wiedersehen mit Gerdi‘s Familie, mittlerweile glückliche Eltern
Gegensätze und Klischees

Albanien wird oft als ärmstes Land Europas bezeichnet. Als Besucher fällt davon auf den ersten Blick kaum etwas auf. An jeder Ecke wird gebaut, Von Aussen betrachtet sieht man modernste Häuser, hinter den Fassaden sind sie aber oft mangelhaft. Das Erdbeben im November 2019 liess einige neuere Bausünden in Durrës zusammenstürzen. Andere präsentieren sich in desolatem Zustand.

Hinter der Fassade zeigt sich das wahre Gesicht
Verschiedene Architektur-Epochen
Historisch und weniger historisch

Neben den zahlreichen Busverbindungen ist das wichtigste Fortbewegungsmittel der Mercedes. Es gibt wohl kaum ein Land mit einer höheren Dichte an deutschen Autos. Wer nun glaubt, dass es sich um ausrangierte Exportautos handelt, der irrt gewaltig. Man findet hier die neusten und teuersten SUV-Modelle auf den Strassen.

Ebenfalls an jeder Ecke fallen die zahllosen Autowasch-Stationen auf. Der Stolz auf vier Rädern erhält im Land besonders viel Pflege.

Unsere Perspektiven

Wie sehen wohl unsere Perspektiven aus? Zurück in den Arbeitsprozess?

.. oder Ausspannen und Rumhängen?
.. oder auf die Suche nach neuen Abenteuern?
Kategorien: Albanien 2020

2 Kommentare

Thomas Furter · November 12, 2020 um 11:50

Liebe M&M

Das freut uns sehr, dass ihr unsere Wanderung mit Faszination begleitet habt! Corona sind wir jeweils nur in den grösseren Ortschaften begegnet und auch dort teilweise nur sehr dezent. Somit war es ein gutes Jahr um in der Natur zu sein…
Wir freuen uns jetzt schon auf eine Pizza mit euch, die M&M’s können ein gutes Essen schon nicht ersetzen.

Bis bald in Huttwil!

Liebe Grüsse

Sonja & Thomas

manuela · November 10, 2020 um 21:06

Ihr beiden weit gereisten.
Euer zu Fuss Abenteuer fasziniert mich enorm, vor allem auch die tollen Fotos und witzigen Berichte. Ein ganz klein wenig könnte ich euch da schon beneiden, vor allem wenn ich den ganzen Tag nichts anders als Corona höre, ob ich will oder nicht.
Wir sind am Endspurt mit dem Pizza Ofen, ihr könnt also ungeniert nach Hause kommen. Liebe Grüße und hoffentlich bis bald M& M

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