Vrysochori – Drakolimni / Tagesmotto: und suche uns nicht in der Unterführung
Genau das gefällt uns so sehr beim zu Fuss unterwegs sein: wir stranden in Dörfern, welche fast touristenfreie Zone sind. So auch Vrysochori. Wir fragen uns, wie lange solche Dörfer noch überleben werden, das Durchschnittsalter der Bewohner liegt wohl tief im Pensionsalter. Frisch geduscht sind wir am Vorabend noch in den Ausgang und auf Futtersuche. Das ‘Kafe‘ im Dorf ist gut besucht, doch zum Essen sind wir um 20 Uhr noch eine Stunde zu früh. Ab 21 Uhr füllt sich dann die Taverna und der Grill läuft auf Hochtouren. Unser betagter Zimmervermieter mit unsicherem Gang taucht dann irgendwann nach 22 Uhr auf und begleitet uns nach Hause. Wir könnten ja noch verloren gehen…. kaum zu glauben! Liebe Mütter zu Hause: ihr seht, wir werden hier aufmerksamer bemuttert als wenn wir in eurer Nähe sind…
Es ist uns sehr bewusst, dass die ersten zwölf Kilometer von Vrysochori bis Palioseli kein Zuckerschlecken wird, denn wir müssen 500 HM hinunter um eine weitere Schlucht zu überqueren und wieder hochzusteigen, und zwar alles auf Asphalt. Und kein einziges Auto fährt während den 3 Gehstunden in unsere Richtung, sonst würden wir wohl den Daumen in die Lüfte halten. Der mentale Tagestiefpunkt ist nicht in der Schlucht sondern beim Aufstieg nach Palioseli unter der drückenden Sonne.
Zum Glück gibts in Palioseli ein offenes Restaurant und wir holen unsere Stimmung bei Lemon Soda und Fredo (kalter, schaumiger Milchkaffee) wieder auf Normallevel.
Der wunderschöne Aufstieg zur Smolikas-Hütte bringt in 2 Stunden nochmals 500 HM und zu unserer Freude ist die Hütte bewartet. In tollem Ambiente schalten wir eine ausgiebige Siesta ein. Da die Schlafplätze ausgebucht sind, gibts kein ‚und führe uns nicht in Versuchung‘, es ist klar, wir müssen heute noch weiter.
Aber bevor wir den 2-stündigen Aufstieg zum Drakolimni-See starten, gibts noch eine grosse Portion Spaghetti Bolognese. Durch lichte Pinienwälder ist die Hitze nun erträglich, so reicht die Energie, um zu witzeln, dass es am See richtig lebhaft zu und her geht und es kaum mehr Platz für ein Zelt hat. Tja, ganz so schlimm ist es schon nicht aber unser Hubba Hubba findet rasch Kollegen, denn 7 Zelte sind bereits aufgestellt.
Schon kurz vor dem Hinüberkippen in den Tiefschlaf, realisieren wir, dass unsere Schlafmatte Luft verliert! Oh nein, das Mätteli-Trauma vom letzten Jahr ist sofort wieder präsent. Doch zum Glück hält sie nach erneutem Pumpen bis zum Morgen. Wir finden zwar keine Erklärung, sind aber extrem froh dass es gut hält.
Drakolimni – Irgendwo nach Agio Paraskevi / Tagesmotto: Morgenstund hat Pelz im Mund
Bereits um halb sieben stehen wir auf dem Gipfel des Smolikas (2637 MüM) und saugen die ersten Sonnenstrahlen auf. Denn auch wenn es tagsüber wieder brütig wird, in der Nacht kühlt es auf dieser Höhe doch schön ab.
Wir packen dann unser Zelt und alles andere zusammen und haben nochmals rund 1000 HM Abstieg vor uns, wiederum auf sehr schönen Wegen durch lichte Mischwälder, an mehreren Wasserquellen vorbei.
Wie geplant sind wir zum Zmittag und zur Nachmittagssiesta im Dörfchen Agia Paraskevi. Wenn wir uns fast täglich einmal auswärts richtig verpflegen können, so müssen wir deutlich weniger Essen mittragen und es schmeckt erst noch besser!
Die Morgenländische Platane wird in Griechenland zur Beschattung von Dorfplätzen genutzt. Das älteste Exemplar in Griechenland ‚Das Baumheiligtum Plataniotissa’ soll 352 n. Chr. gepflanzt worden sei und hat heute einen Stammdurchmesser von 23 m.
Um 18 Uhr lösen wir uns dann endlich aus dem gemütlichen Dorf und steigen nochmals in einen Hang, zum Glück auf der Schattenseite. Die Wegfindung ist hier wieder schwieriger und wir nehmen schon ziemlich früh eine falsche Fährte auf. Obwohl vom Dorf her ein Einheimischer immer wieder pfeift und wild gestikuliert, merken wir es erst etwas später. Das nächste Mal schauen wir dann rascher auf die Navigation wenn uns jemand nachpfeift.
Obwohl wir in dieser Region zu unserer Überraschung keinen grösseren Tieren begegnen, haben wir dann kurz vor dem Eindunkeln doch noch Schwein, und zwar wortwörtlich. Eine Grossfamilie Wildschweine rennt grunzend und ganz aus dem Häuschen auf alle Seiten davon, wir freuen uns eindeutig mehr über sie, als sie sich über uns. Uns fallen jedoch allgemein viele leere Patronenhülsen auf, vielleicht erklärt das, weshalb wir kaum Tiere sehen?
Entsprechend gespannt sind wir auf die Geräuschkulisse dieser Nacht, denn wir schlafen nahe einer Wasserstelle mit ganz vielen Tierspuren. Zur Sicherheit hängen wir unser Proviant über einen Ast, nicht dass wir am Morgen zu Dritt im Zelt erwachen!
Irgendwo nach Agio Paraskevi – zwischen Plagia und Grammos / Tagesmotto: wenn Fliegen hinter Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach
Die Nacht bleibt ruhig, jedoch unglaublich dieser Flugverkehr schon vor Sonnenaufgang. Kaum ist die Haustüre des Zeltes geöffnet, versammeln sich innert Kürze etwa 30 Fliegen im Schlafzimmer. Auch ein funktionierender Trick, um Sonja möglichst rasch aus dem Schlafsack zu locken! Im Verlaufe des Tages gesellen sich zu den Fliegen auch noch Mücken hinzu und die finden sogar immer wieder neue freie Stellen, um hineinzustechen.
Bis zum Passübergang folgen wir dem gut markierten, jedoch recht überwucherten Weg. Fürs Auge zwar idyllisch, für die Füsse und den Kopf aber vielbräuchig.
Ungeschriebenes Wandergesetz: oben angelangt, gehts auf der anderen Seite wieder hinunter, das funktioniert auch heute. Diese Hügelseite ist jedoch viel trockener und es wird auch noch ein wenig Landwirtschaft betrieben, so kommen wir wieder etwas schneller voran. Und den Fliegen ist es hier anscheinend auch zu trocken und zu heiss! Aber endlich sehen wir immerhin eine Bärenspur, vielleicht wandert er doch plötzlich mit uns.
Für die Nachmittagssiesta sind wir noch zu früh im Dorf Drosopege, aber einfach vorbeimarschieren geht wirklich nicht. Ein selbstgemachtes Eis in der Dorftaverna ist jetzt genau das Richtige, um wenigstens ein bisschen cool zu bleiben, denn der nächste Abschnitt führt wieder Mal über Asphalt ins Tal hinunter.
Sehr oft treffen wir in den Dörfern auf einen Menschen, welcher etwas Englisch oder sogar Deutsch spricht, die letzteren sind meistens aus Deutschland heimgekehrte Gastarbeiter. So erfahren wir immer wieder Wissenswertes über die Region und sind schnell bei den Leuten. Das Helfersyndrom ist auch allgegenwärtig, wirken wir tatsächlich so hilfsbedürftig und unselbständig? Aber wir nehmen die gutgemeinte Unterstützung natürlich gerne an, denn unser Griechisch ist nach wie vor recht beschränkt. Wir üben immer noch den Satz ‚den milao ilinika‘ was soviel heisst wie ‚ich spreche kein Griechisch‘.
Noch vor der grossen Nachmittagshitze möchten wir im nächsten Dorf ‚Plagia‘ sein. Auch für griechische Verhältnisse ist es momentan zu heiss, bis zu 33 Grad in den Bergdörfern! Vielleicht gibt es ja auch wieder einen hübschen Dorfplatz mit Taverna? Das ist immer wieder eine Überraschung, denn aus den diversen Apps ist dies nicht ersichtlich.
Tatsächlich wirkt alles ausgestorben in Plagia, so sind wir heute selber die Köche, in weiser Vorahnung haben wir am Vormittag bei der Eispause noch frisches Gemüse und Käse eingekauft. Und wie so oft bietet ein Kirchlein das perfekte Ambiente, nur die Fliegen sind immer noch penetrant lästig, wenn auch nicht mehr so zahlreich.
Heute können wir uns besser motivieren, noch eine Höhenstufe zu nehmen, denn ein Dorf ohne Beiz hat wenig Reiz. Bald begegnen wir einer grossen Wandergruppe auf dem Heimweg, welche eine deutlich strengere Ausdünstung hat als wir!
Kurz nach 20 Uhr und schon wieder in der Hälfte des Gipfelaufstieges machen auch wir Feierabend, geniessen den Ausblick zurück auf den Smolikas und schlemmen noch ein paar ‚Chrömli‘. Und die Fliegen fliegen immer noch…
Zwischen Plagia und Grammos – Pyrgos / Tagesmotto: auch kein Weg ist ein Weg
Sonja fragt sich wieder einmal, weshalb Thomas die Route über den Gipfel wählt, er heisst doch Furter und nicht Höher.
Seit Plagia folgen wir einer GPS-Spur, welche kein offizieller Wanderweg ist und auch keine Markierungen aufweist. Aber er funktioniert ganz gut! Bis zum steilen Schlussabschnitt auf den Grammos können wir auch immer wieder ausgetretenen Kuhwegen folgen, diese locken uns dafür manchmal auf eine falsche Spur. Ein regelmässiger Blick aufs Handy erspart uns all zu viele Zusatzschleifen.
Auch heute erreichen wir unseren Tageshöchstpunkt mit dem Grammos noch vor dem Frühstück, dieses geniessen wir bei toller Aussicht auf dem Gipfel.
Ein kurzer Abschnitt folgt einem harmlosen Grätli und plötzlich finden wir uns in einem wunderschönen Naturgärtli übersät mit der einmaligen Balkanlilie wieder. Jetzt versteht auch Sonja, weshalb der Tourenplaner sich für diese Variante entschieden hat! Auch kein Weg ist manchmal ein Weg.
Bald erreichen wir das idyllische Seelein Moutsalia mit zweigeteiltem Wellnessbereich: Schlammbad und Kneippkur.
Die Frösche unterhalten uns mehrmals mit einem lautstarken Quakkonzert, lachen die uns etwa aus?
Der ideale Ort auch, um kleinere Blessuren zu versorgen. Ein kleines Notfallset tragen wir mit uns, wie z.B. Medikamente gegen Schmerzen, Durchfall und Übelkeit, Betadine-Salbe, etwas Verbandsmaterial, Murmeli-Salbe und Arnika-Kügelchen für wenns mal gar nümm geit.
Beim extrem steilen Abstieg durch den Wald nehmen wir beide mit dem Gesäss Bodenkontakt auf, es ist unglaublich rutschig auf dem dürren Laub mit versteckten Pinienzapfen darunter. Aber wir sind nur schon froh, dass es überhaupt einen Weg gibt! Denn hier ohne Weg hätte wohl bedeutet, nochmals zurück und neuen Anlauf suchen.
Bei der Ankunft im Tal ist die totale Mittagshitze am Wüten, wir verkriechen uns ans Bachbett und verschlafen schon fast während dem Mittagessen. Es dauert nicht lange, bis wir beide friedlich vor uns hin knurren.
Auch heute nehmen wir gegen Abend nochmals einen Anlauf, steigen wieder hoch und erreichen kurz vor Sonnenuntergang den Gipfel Pyrgos. Wir sind schön froh, dass wir ganz in er Nähe ein ebenes Bödeli fürs Zelt finden, denn wir haben beide keine Lust mehr zum Laufen, egal ob mit oder ohne Weg.
Pyrgos – Nestorio / Tagesmotto: Bäumiger Abgang
Eine Horde Ameisen hat sich in unser Zelt geschmuggelt und tanzt uns sprichwörtlich während der ganzen Nacht auf der Nase herum. Ja, ihr ahnt richtig, wir hatten schon bessere Nächte! Dafür erleben wir einen versöhnlichen Sonnenaufgang.
Bis Nestorio, dem nächsten Dorf, sind es noch 25 km, ein realistisches Ziel, zudem wir mit Forst- und Asphaltstrassen rechnen. Wir rechnen richtig, ausser ein kurzer Abschnitt über eine Stufe von 200 HM führt uns wieder einmal durch dick und dünn.
Dafür klappts heute sogar mit dem Fotografieren einer Wildsau, allerdings macht sie sich schnell aus dem Staub als Sonja die Kamera in Schussposition legt.
Der Abstieg von unserem nächtlichen Horst führt durch gut erhaltene Mischwälder. Der Wald wird zwar durchforstet, es werden aber nur einzelne Bäume gefällt und der Wald kann sich auf natürliche Weise verjüngen. So dominieren in oberen Lagen Tannen und Buchen, weiter unten dann Eichen und lokale Laubbaumarten.
Am Vormittag ist es noch knapp erträglich, über 12 km der wenig befahrenen Passstrasse entlang zu stöckeln und die Vorfreude auf etwas käuflichen Luxus wirkt wie eine Motivationsspritze.
Erste Handlung in Nestorio ist natürlich essen und trinken. Wie immer in den Dörfern freuen sich die Einheimischen sehr über Fremde und sind neugierig auf uns. Vielleicht jetzt noch mehr? Ein Zeichen, dass Touristen wieder unterwegs sind? Obwohl wir ja schon nicht 08 15-Reisende sind.
Tatsächlich verschlafen wir dann den Nachmittag im kühlen Guesthouse und unser Bewegungsdrang ist etwa so gross, wie die Ameisen klein sind.
Bereits lassen wir das Pindosgebirge hinter uns. Ab Ioannina bis Nestorio sind wir durch eine äusserst vielseitige Berglandschaft gewandert, welche uns durch seine vielen Facetten sehr beeindruckt hat; die gut erhaltenen, belebten Bergdörfer mit ihren Dorfplätzen zum Verweilen, die Natur mit ihren Wäldern und der Bergflora, der unerwartete Schnee und vorallem die Gastfreundschaft der Einheimischen. Wir sind begeistert, ein wahrer Geheimtipp!
2 Kommentare
Tatjana · Juli 2, 2021 um 07:30
Hallo ihr zwei. Schon beim Lesen entschleunigt man.
Danke, dass wir Leser etwas von dem miterleben dürfen
Weiterhin gut Fuss.
Trudi Bruderer · Juli 1, 2021 um 19:13
Hallo ihr beiden verrückten Wanderer
Mit so vielen abwechslungsreichen und interessanten Erlebnissen gespickt seid ihr wirklich zu beneiden. Dass ihr dabei weder Zeit noch Aufwand scheut, eure Infos an die Daheimgebliebenen zu übermitteln, ist nicht selbstverständlich. – Danke und weiterhin viel Spasse Trudi