Gaj – Planinarsko sklonište Bunarić / Tagesmotto: Letztes Aufbäumen
5 1/2 h / 1360 M aufwärts / 520 M abwärts / 13.6 km
Nach einem zusätzlichen Geduldstag bei regnerischem Wetter im Bošnjak Prenočište bei Lujka müssen wir heute sowieso weiter, denn unser Bargeld verdünnt sich zusehends. Wandern oder Bus? Zurück auf den Trail oder in die Welt der Geldautomaten?
Immerhin regnet es heute nicht mehr und so wählen wir die Variante ohne Cash. Weit kommen wir nicht, keine halbe Stunde sind wir in der freien Wildbahn unterwegs, da hören wir von einem Balkon ein fröhliches ‚Grüezi‘ rufen. Na sowas! Ihr könnt euch denken, wie es weiter geht, bald sitzen wir bei Milica und Mate auf der Terrasse und werden mit einem zweiten Frühstück verwöhnt. Fast schon echte Hobbits sind wir, von Mahlzeit zu Mahlzeit durch den Tag!
Unsere Gastgeber haben beide mehrere Jahrzehnte in der Schweiz gearbeitet und gelebt, ihre Pension verbringen sie im neu erstellten Haus ihres Elterndorfes. Wir befinden uns seit Tomislavgrad im Kroatischen Teil von Herzegowina und das ist vor allem auch an der Bauweise der Häuser zu erkennen, die Qualität ist deutlich besser.
Zwei Stunden später brechen wir wieder auf. Mit den Worten: ‚Beim nächsten Besuch müsst ihr unbedingt über Nacht bleiben’ wünschen sie uns weiterhin ‚sretan put’. Versprochen und zwar mit grosser Freude! Mate fährt uns dann ins 12 km entfernte Podgradina und erspart uns so einmal mehr Strassenkilometer. Nahtloser Übergang unseres Taxiservices!
Wir steigen in den Put Oluje ein, dieser Wanderabschnitt führt entlang der Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien über mehrere Gipfel, allerdings allesamt unter 2’000 MüM. Für 5 – 6 Tage werden wir nochmals ohne Fremdversorgung unterwegs sein, falls das Wetter mitspielt. Auf mehrere Selbstversorgerhütten dürfen wir jedoch zählen.
Nach einem steilen Aufstieg durch den Wald erreichen wir schon bald die erste dieser Hütten. Die wunderschöne und gepflegte Pešino Vrilo wickelt uns beinahe um den Wanderstock, aber es ist noch so früh. Also gehen wir weiter.
Der tolle Ausblick auf den Buško Jezero und die topfebene Fläche mit den aufsteigenden Bergen als Abgrenzung lassen uns hoffnungsvoll vorwärts schauen. Auf dem ersten Gipfel Konj sehen wir nochmals weit zurück zur Vran-Kette aber auch auf den Abschnitt der Via Dinarica, welchen wir letztes Jahr ganz zum Schluss in Kroatien gewandert sind.
Der Wind wird zunehmend stärker, Nebelschwaden vermischt mit dichten Wolken ziehen den Vorhang zum Himmel zu. Auf dem zweiten Gipfel Kamešnica verweilen wir nur gerade für ein Selfie-Quickie mit der Kamera.
Die nächste Sklonište ist nicht mehr weit, doch zu unserer Enttäuschung kein Teil so nett wie die vorherige. Da stellen wir doch lieber unser Zelt daneben auf. Das Finden der Wasserquelle gleicht dann einem Video-Spiel à la Lara Croft – wir entdecken dann den Schacht nach längerem Suchen, das Wasser hat jedoch einen faulen Geruch im Abgang! Tee kochen geht gerade so knapp – hätten wir doch alle unsere Flaschen bei der letzten Hütte noch aufgefüllt!
Auf das Kochen verzichten wir freiwillig, aus diversen Gründen. Das Wasser macht uns wirklich nicht an, der Hunger ist nach diesen wohlgenährten Tagen auch nur minim vorhanden und vor allem hat uns Milica Brot, Wurst und selbstgemachte Konfitüre mitgegeben und das lassen wir uns mit einem Herzensgruss ins Tal nun schmecken.
Planinarsko sklonište Bunarić – Veliki Bostan / Tagesmotto: Themenweg Wasser
7 1/2 h / 620 M aufwärts / 1170 M abwärts / 22.6 km
Mehrere Stunden liegen wir schlaflos im Zelt und zählen Regentropfen. Das Donnergrollen aus der Ferne ist auch nicht gerade förderlich für die optimale Schlafqualität. Umso grösser ist die Überraschung als wir am Morgen die Köpfe aus dem Zelt strecken: der Himmel ist blau!
Schnell zusammenpacken und die trockenen Stunden ausnutzen, denn bald ziehen wieder Wolken auf. Zuerst werden wir jedoch nicht von oben nass, sondern der feuchte Untergrund füllt unsere Trailrunner innert Kürze.
Der Regen lässt uns noch über die Gipfel eilen und unser Zelt wenigstens etwas antrocknen. Dann gewinnt aber doch eine graue Macht und lässt nochmals viel Nässe auf die Erde fallen.
Es dauert nicht lange, dann ist der Wetterspuk vorbei und die Sonne kämpft sich langsam aber sicher zurück und siegt schlussendlich. Wasser hätten wir zwar dringend nötig denn das karstige Gebiet verschluckt hier alles Regenwasser.
Bereits ist späterer Nachmittag als wir dann in der Höhle Mračna pečina doch noch fündig werden! Nach rund 100 Metern im Höhlengang wird das tropfende Wasser eines Stalaktiten in einem Brunnen aufgefangen, auch für uns eine neue Art von Wassergewinnung, Not macht erfinderisch!
Kurze Zeit später überqueren wir ein erstes Mal die kroatische Grenze, in den nächsten Tagen werden wir noch mehrmals die grüne Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien passieren. Ganz wohl ist uns dabei nicht, denn die Kroatische Grenze ist zugleich EU-Grenze und wird strenger kontrolliert als weiter südlich.
Auf einem schönen Bödeli entdecken wir einen stationären Wohnwagen mit Tisch und Bänken. Die gemähte Wiese wirkt auch zum Zelten einladend. Am Sonntagabend wird wohl niemand mehr aufkreuzen, da richten wir uns gemütlich ein. Doch plötzlich kommt ein älterer Herr auf den Wohnwagen zu, natürlich fühlen wir uns zünftig ertappt! Wir springen entschuldigend von den Bänken hoch, doch er lacht und findet es völlig in Ordnung, dass wir es uns hier gemütlich machen. Für das nächste Mal zeigt er uns, wo der Schlüssel zum Wohnwagen versteckt ist!
Veliki Bostan – Planinarska kucé Pume / Tagesmotto: Hüttenzauber
7 1/2 h / 1250 M aufwärts / 660 M abwärts / 24 km
Auch diese Nacht ist regnerisch aber am Morgen strahlt bereits wieder die Sonne und wir verlassen einmal mehr unseren mobilen Wohnplatz.
Der Weg führt lange auf Kiesstrassen durch die prärieähnliche Landschaft, bald ziehen wieder Wolken auf und verzaubern die Landschaft zu unzähligen Fotosujets.
Unsere erste Pause bei der luxuriösen aber verschlossenen Berghütte Sveti Jakob nutzen wir zum Material trocknen und veranstalten eine riesige Auslegeordnung. Nicht dass es uns so ergeht wie gestern, als die Sonne bereits am frühen Vormittag hinter die Wolken verbannt wurde und wir unsere Ausrüstung nur etwas antrocknen konnten.
Danach beginnt der unendlich langgezogene Aufstieg auf unseren heutigen Gipfel, den Troglav. Der Weg führt abwechslungsweise durch den Wald, auf Fahrsträsschen oder über trockene Wiesenhänge. Diese Region erinnert uns stark an den Paklenica Nationalpark im südlichen Velebit (Kroatien) und auf dem Gipfel können wir tatsächlich in der Ferne genau diesen Gebirgsabschnitt erblicken.
Die letzten 300 HM bieten nochmals einige Gestrüpp-Einlagen und das Gelände ist recht steil, doch oben angelangt werden wir mit tollen Ausblicken reichlich belohnt. Die Wolkenspiele begleiten uns den ganzen Tag ohne Nass von oben.
Mehrere Zustiege auf den Troglav sind markiert, auch von der bosnischen Seite her. Wir wählen die Überschreitung zurück auf die kroatische Seite und navigieren zur Berghütte Pume. Den ganzen Tag sind wir an keiner Wasserstelle vorbei gekommen, falls es bei dieser Hütte auch keines hat, müssen wir Morgen zum Peručko Stausee absteigen und den Put Oluje abbrechen.
Die wunderschöne und gut gepflegte Hütte liegt fantastisch am Sonnenhang und ist sogar unverschlossen. Fast ein Wunder! Trinkwasser ist auch vorhanden, sowie Strom, Betten und ein fantastischer Sonnenuntergang in allen Orangetönen lässt unsere Teigwaren noch besser schmecken, perfekter Hüttenzauber!
Planinarska kucé Pume – Planinarsko sklonište Rupe / Tagesmotto: Der Eilige hat kein Glück – der Glückliche keine Eile (Klaus Klages)
4 1/2 h / 430 M aufwärts / 700 M abwärts / 13.7 km
Der Wind hat gedreht – nicht mehr das angenehme Föhnlüftlein der letzten Tage weht uns um die Ohren, sondern der giftig-kühle Bora. Bei uns würde man dies die fiese Bise nennen. So ist heute beim Losmarschieren der Kleiderbeutel beinahe leer, denn inklusive Kappe und Handschuhe klebt alles am Körper.
Kaum abmarschiert, stehen wir auch schon auf dem ersten Gipfel – dem Velika Duvjakuša mit mehreren Gedenktafeln für gefallene Soldaten während dem Balkankrieg. Auch Minenschildern sind wir wieder mehrmals begegnet, dies hinterlässt uns jedesmal nachdenklich. Der weite Blick bis zum Mittelmeer lässt unsere Gedanken wieder vorwärts statt rückwärts blicken.
Die Temperaturen erwärmen sich zwar leicht mit dem Aufstieg der Sonne und im Windschutz wird es sogar richtig heiss. Aber alles in allem ist es nicht sonderlich gemütlich zum Wandern, obwohl wir fürs Auge wieder durch eine wunderschöne Passage ziehen.
Die Balkanlilien am Wegrand sind inzwischen verblüht, im Frühjahr in Griechenland sind wir mehrmals staunend durch die gelben Wiesen gewandelt und gewundert. Bei uns ist es umgekehrt: wir sind über den Sommer aufgeblüht und unsere immer bunter schimmernde Haut hat unzählige Erfahrungen aufgesaugt. Eine gewisse Erlebnis-Sättigung stellt sich ein, die gesammelten Erinnerungen sind so zahlreich und nur andeutungsweise verinnerlicht. Viel Nachbearbeitung wartet auf uns! So haben wir den Endpunkt des diesjährigen Trails für uns definiert: in Knin werden wir die Trailrunner wieder in Strassenschuhe umfunktionieren und unsere Ankunft beim Neubeginn gebührend feiern. Theoretisch könnten wir es bis Morgenabend nach Knin schaffen, aber so schnell wollen wir gar nicht sein!
Da kommt uns um die Mittagszeit die wunderhübsche Sklonište Rupe wie gerufen. Auch diese Hütte hat einen Wassertank und Solarzellen. Die letzten Tage weit weg von all den sich in der Endlosschlaufe drehenden Alltagsthemen kosten wir nochmals bewusst aus und feiern das Nichts-Tun im höchsten Grad!
Planinarsko sklonište Rupe – Planinarsko sklonište Drago Grubać / Tagesmotto: Unten durch
6 h / 1270 M aufwärts / 970 M abwärts / 19.2 km
Unser Unterbewusstsein stützt über die ganze Nacht das Hüttendach, die Windböen pfeifen um die Wette so als wollten sie dem leuchtenden Vollmond imponieren. Obwohl der Wind gegen Morgen etwas nachlässt, entscheiden wir uns dennoch für die Variante im Tal anstatt nochmals über die Gipfel. Für einmal müssen wir unten durch.
So beginnen wir warm verpackt mit mehreren Kleiderschichten den Abstieg zur Quelle des Flusses Cetina. Je tiefer wir gelangen umso angenehmer werden die Temperaturen.
Es ‚fuchst‘ uns schon ein bisschen, dass wir den Put Oluje nicht auf der Originalroute zu Ende gehen können, aber unter diesen Bedingungen wäre es ein ungemütlicher und stürmischer Tag geworden.
Bei Glavaš beginnen wir mit dem Aufstieg unseres letzten Gipfels, dem Dinara. Die Selbstversorgerhütte Drago Grubać ist unser Ziel. Mit zunehmender Höhe wird auch der Bora wieder heftiger. So sind wir dankbar, dass wir bereits um 15 Uhr in der hübschen Hütte windgeschützt in unseren Schlussabend steigen können. Knin ist im Tal bereits zu sehen und es wird uns immer mehr bewusst, dass Morgen unser letzte Trailtag sein wird.
Sklonište Drago Grubać – Knin / Tagesmotto: Ankommen
6 1/2 h / 320 M aufwärts / 1740 M abwärts / 24.9 km
Eine weitere stürmische Nacht liegt hinter uns, doch das Vertrauen in die Bausubstanz ist schon deutlich höher. Diese Hütten sind sich wohl solche Windgeschwindigkeiten mehr gewöhnt als wir. Dafür stellt die Familie Maus, welche mit uns die Hütte bewohnt, unsere Durchschlaffähigkeit auf die Probe. Am Morgen realisieren wir auch, was so schön geraschelt hat die ganze Nacht: der Abfallsack von Thomas hat wohl in Mausaugen nicht nur Müll als Inhalt.
Bei 0 Grad und heftigen Windböen, welche die Temperaturen nochmals um gefühlte 10 Grad tiefer sinken lassen, starten wir in unseren letzten Trailtag, eingepackt wie auf einer Mondexpedition, mit dem Aufstieg auf den Dinara. Es fehlen rund 200 HM, ein Kinderspiel!
Aber so gekämpft wie auf diesen wenigen Höhenmetern haben wir schon selten, der Wind bläst uns beinahe über den Abgrund auf direktem Weg ins Tal hinunter, dabei möchten wir doch viel lieber über den Gipfel und im uns ganz eigenen Tempo nach Knin wandern!
Nach rund einer Stunde erreichen wir den Gipfel des Dinara, die kurze Fotosession mit der Kroatienfahne ist für uns symbolischer Teil des Trailendes.
Aber ganz ist es noch nicht geschafft, denn der Abstieg zieht sich unendlich in die Länge.
Dank einer Abkürzung über Militärübungsgelände sitzen wir um genau 15.11 Uhr beim Bier und sind physisch angekommen. Der Kopf braucht noch einige Stunden, bis er auch so weit ist. Die Temperaturen sind sommerlich warm, unsere heizende Kleidung haben wir längst gegen Shorts und Shirt eingetauscht. Sollen wir glücklich oder traurig sein? Die beiden Emotionen halten sich etwa die Waage.
Der Put Oluje ist aus unserer Sicht eine sehr lohnenswerte Alternative der Via Dinarica. So können die endlosen Strassenkilometer dem Peručko Jezero entlang umgangen werden. Den Blick auf den See erhält man von oben sogar öfters als auf dem Weg unten durch. Die grosse Herausforderung vor allem im Sommer ist die Wasserversorgung. Doch bei den Selbstversorgerhütten hat es jeweils einen Tank, Wasserfilter oder ähnliches unbedingt mitnehmen!
Es dauert nicht lange, da bringen uns die Apartmani-Vermieter den Schlüssel ins Restaurant, sie freuen sich fast noch mehr als wir, uns wieder zu beherbergen. Das Prenočiste Kastel mit Blick auf die Burg ist der perfekte Platz um unser Ankommen mit Trail-Magic zu feiern.
Beim Nachtessen auf der Burg können wir nochmals auf unsere beiden letzten Schlafplätze zurück schauen und unzählige wunderschöne Momente schweben in unserer Erinnerung mit. Auch der Kopf ist inzwischen schon ein bisschen am Trailende angekommen, die Beine müssen wohl erst wieder lernen, dass sie nicht täglich mehrere Kilometer gehen dürfen. Die 3 1/2 Monate sind viel zu schnell verflogen!
2 Kommentare
Trudi Bruderer · September 26, 2021 um 12:23
… dann wünsche ich euch beiden eine angenehme Heimreise und einen guten Start wieder in er Schweiz. Lebt euch in unseren Breiterngraden gut ein und träumt so viel ihr träumen könnt von vergangenen Wanderungen.
Alles Gute Trudi
Reini · September 24, 2021 um 13:06
Langersehntes Wasser in der Höhle – war sie leicht zu finden? Konntet Ihr sie ganz erforschen?
Die Kastquelle sehr eindrücklich – was wäre mit Baden gewesen? 🥶
Gutes Ankommen in der Schweiz.
Ich hoffe, es „verschlägt“ Euch in die Ostschweiz.
Ich wünsche Euch viel Glück beim Suchen nach guten Arbeisstellen.
Reini